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Eine Filmproduktion in der Wüste Namibias

Behind the scenes
16.03.2018
Von Kevin Blanc
9 min Lesezeit

Originalartikel
Digitec Wissen

Projekt
Meine Namibia Safaris

In Namibia einen Film produzieren – das stellt grosse Anforderungen an das Equipment und verlangt eine sehr sorgfältige Vorbereitung. Muriel und Kevin von Lauschsicht geben einen Einblick in ihr Setup und ihre Herangehensweise.

Im Januar 2017 war ich zum dritten Mal auf einer Motorrad Enduro-Tour durch Namibia und lernte dabei Rainer Kriess kennen. Er führte die kleine Motorradgruppe gekonnt und mit vielen spannenden Hintergrundinfos durch das Damaraland, eine Region im Norden Namibias. Rainer ist gebürtiger Namibianer, machte seine Ausbildung zum KFZ-Meister in Deutschland und seit seiner Rückkehr nach Namibia arbeitet er als Tour-Guide, und bringt mit seiner ruhigen Art vielen Gästen seine Heimat näher.

Eines abends erzählte er mir von seinen Plänen, sich mit massgeschneiderten, persönlichen 4×4 Touren selbständig zu machen. Unter Meine Namibia Safaris findest du mehr Informationen – die Webseite wird in den kommenden Wochen und Monaten mit unseren Fotos und Filmen ergänzt und inhaltlich sowie formal weiterentwickelt.

Das Projekt

Ziel war es, Film- und Fotomaterial zu produzieren, das zeigt, wie es ist, auf diese Art und Weise Namibia zu erleben. Das Kernstück ist der Film. Zusätzlich produzierten wir mehrere Interview-Sequenzen und ein paar tausend Fotos.

Die Zielgruppe

Der Film soll eine sehr klare Zielgruppe ansprechen. Nämlich diejenigen, die sich für eine sehr persönliche und individuelle Tour interessieren. Das sind Gäste, die keinen Massentourismus suchen, sondern die Ferne, die Einsamkeit und die Weite. Eine Reise mit Rainer ist so viel mehr, als eine Reise von A nach B. Genau das macht der Film spürbar.

Das Team

Für den Dreh waren Lauschsicht-Produzentin Muriel Droz und ich – Kevin Blanc, Regisseur und Cinematographer – vor Ort. Meine Aufgabe war es, die Momente filmisch einzufangen. Bei den Fotos waren wir beide hinter der Kamera. In der Gruppe waren wir drei Autos mit insgesamt acht Personen. Die Post-Produktion übernahmen Editor und Cinematographer Marius Thut und ich.

Die Tour

Insgesamt fuhren wir über 4500 Kilometer in drei Wochen. Rainer stellte eine Best-Of Tour zusammen und brachte uns an die schönsten Spots. Manchmal waren wir zwölf Stunden unterwegs und schafften gerade mal etwas mehr als 100 Kilometer weit, so anspruchsvoll war das Gelände. Das Highlight in Bezug auf Offroad-Fahren war der Van Zyl’s Pass.

Unser Production Car

Es gibt wenige – also eigentlich nur ein Auto – das in diesen Konditionen zuverlässig arbeitet: der Toyota Land Cruiser. Egal ob scheinbar unüberwindbare Steinbrocken oder stundenlange Wellblech-Strecken: Der Cruiser hat uns nicht ein einziges Mal im Stich gelassen. Wir sind schwer beeindruckt von diesem Fahrzeug.

Das Setup

Ziel war es, ein relativ kompaktes Kamera-Setup zu haben, das die ideale Balance zwischen Grösse und Bildqualität hatte. Wie immer waren wir letztendlich doch recht beladen. Mit unseren persönlichen sieben Sachen waren wir insgesamt bei knapp 100 Kilogramm Gepäck.

Panasonic GH5

Wir entschieden uns für diese Kamera, da sie intern 4K in 10 Bit Farbtiefe und einer Datenrate von 400 Mbit aufzeichnen kann. Keine andere Kamera in der Grösse (und Preisklasse) kann das. Dafür nahmen wir gewisse Kompromisse bei der Bedienung (da es eigentlich eine Fotokamera ist) in Kauf. Meistern, oder besser gesagt, arrangieren wir uns mit diesen Voraussetzungen, werden wir und die Zuschauer mit eindrücklichen Bildern belohnt. Eindrücklich ist auch die interne Stabilisierung durch den Sensor. Selbst Aufnahmen mit umgerechnet über 400 mm gelingen aus der Hand.

Objektive

Die kleinen Olympus Prime-Objektive sind wichtig für den Einsatz auf dem Gimbal. Für alle Objektive hatten wir verschiedene ND Filter dabei.

Einstellungen

Zhiyun Crane V2

Für Kamerabewegungen und Aufnahmen aus dem fahrenden Auto nutzen wir den Zhiyun Crane V2. Ein sehr kompakter Einhand-Gimbal, der wie geschaffen für die GH5 ist. Die Motoren sind je nach Optik etwas am Limit und die Einstellungsmöglichkeiten selbstverständlich limitierter als bei den grossen Gimbals, die wir sonst auf Filmdrehs nutzen. Nichtsdestotrotz gelingen uns perfekt ruhige Aufnahmen aus dem auf Sand und Schotter fahrenden Auto. Den Akku müssen wir übrigens während den ganzen drei Wochen nie laden.

Canon EOS 5D Mark IV

Für Fotos und Zeitraffer nutzten wir unsere Canon 5D Mark IV mit diesem Set an Objektiven:

Objektive

Da die Kamera auch 4K intern aufzeichnen kann, war es gleichzeitig ein Backup, falls wir mit der GH5 Probleme gehabt hätten. Als Zweitkamera und als Backup zur 5D hatten wir noch eine Olympus Pen-F Dabei, welche die Objektive mit der GH5 teilen konnte.

DJI Phantom 4 Pro

Für die Aerial Shots nutzen wir eine Phantom 4 Pro+. Eine so leichte und flexibel einsetzbare Drohne dabei zu haben ist entscheidend. Die schnelle Bereitschaft ist äusserst wichtig, da wir pro Location nur wenig Zeit haben. Mit dabei sind ND Filter von Polar Pro. Wir nutzen regelmässig einen ND32, also ein Graufilter, der das Licht um fünf Blenden, oder anders ausgedrückt, auf 1/32 reduziert – so hell war es.

Einstellungen

Um das Maximum an Bildqualität und Flexibilität in der Post-Production rauszuholen, sind die korrekten Einstellungen entscheidend. Durch ausführliches Testen haben sich folgende Werte ergeben:

Mit diesen Einstellungen ist eine aufwändige Nachbearbeitung in der Post Produktion zwingend. Alle anderen Auflösungen führen zu Qualitätseinbussen.

Zahlen und Fakten

Wir fliegen mit der Phantom 4 Pro+ insgesamt über 140 Kilomenter weit, sind total zehn Stunden in der Luft und der längste Flug ist knapp zehn Kilometer (aus dem fahrenden Auto) lang. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 77.5 Kilometer pro Stunde. Uns beeindruckt die kleine Drohne in vielerlei Hinsicht schwer. Der helle Screen der Fernbedienung ist selbst bei sehr heller Umgebung gut sichtbar. Wir fliegen bei starken Winden mit heftigen Böen und sind innerhalb von Minuten in der Luft. Dank dem grossen Sensor und 100 Mbit Bitrate ist die Bildqualität für so eine kompakte Drohne sehr eindrücklich. Mit dabei haben wir acht Akkus und zusätzlich ein 12V Auto-Ladegerät. Als Backup zur Phantom 4 Pro haben wir die kleine Mavic Pro mit dabei. Zum Einsatz kommt sie jedoch nicht.

GoPro Hero 5

Für Aufnahmen am Auto haben wir zwei GoPros mit dabei. Die kleinen Kameras können ideal für unerwartete Perspektiven verwendet werden und bringen Vielfalt in den Schnitt.

Challenges

In Namibia zu filmen bringt Herausforderungen. Denn die Natur ist dort komplett anders beschaffen als in der heimischen Schweiz. Daher ist vor unserer Reise viel Arbeit und Testing ins Projekt geflossen.

Helligkeit / Temperaturen

Ohne starke ND Filter (8-32) geht gar nichts. Auch ist darauf zu achten, dass die Geräte nicht zu heiss werden. Wir hatten bei keiner Kamera Probleme mit Überhitzen, allerdings wurde alles sehr schnell sehr heiss. Schatten oder ein klimatisiertes Auto halfen. Teilweise ist es so hell, dass auf den internen Screens nichts mehr zu erkennen ist. Wir nutzten deshalb einen sehr hellen, externen Bildschirm.

Backup und Daten

Wir kopieren und prüfen vor Ort die Daten jeden Abend. Um sicher zu stellen, dass die Daten alle sauber kopiert werden, nutzen wir Hedge. Das Tool kopiert auf mehrere Zielvolumen und prüft alles mit Checksummen. Wir machten ein dreifaches Backup. Insgesamt brachten wir knapp 3 TB Daten nach Hause.

Stromversorgung

Im Land Cruiser hatten wir zwei starke Batterien und einen 1200W Inverter. So konnten wir während der Fahrt sämtliche Akkus wieder aufladen. Da wir viel unterwegs waren, war die Stromversorgung kein Problem. Für das tägliche Backup reichte der Akku vom MacBook Pro.

Staub

Der feine Wüstenstaub und die empfindliche Elektronik beziehungsweise die feine Mechanik vertragen sich nicht. Gleich mehrere Kameras unserer Reisegruppe wollten nach zwei Wochen nicht mehr zoomen. Für uns hiess das: Im Auto stets die Fenster schliessen, Kameras immer zurück in die Kamerakoffer packen und jeden Abend alles reinigen. So blieb der Staub auch weitgehend vom Sensor weg.

Transport

Für die Kameras nutzen wir ThinkTank Koffer. Als wir für die Stative und den Slider eine passende Tasche suchten, wurden wir bei Galaxus fündig. Eine Ski/Snowboard Tasche war die Lösung: DB Douchebags The Douchebag.

Story-Entwicklung

Wir fahren ohne Drehbuch nach Namibia und entwickeln innerhalb der ersten Woche eine mögliche Storyline, die wir dann konkretisieren. Die Erzählerin ist Gail, sie war als Gast mit auf der Tour und für sie war es ein vierzigjähriger Traum, der mit dieser Reise in Erfüllung geht. Eine leidenschaftlichere Erzählerin konnten wir uns nicht wünschen.

Der Text entsteht aus Gesprächen, die wir mit ihr führen. Sie erzählt uns von ihren Beobachtungen, wir ergänzen diese mit unseren und suchen dann eine Formulierung, eine Erzählweise, die uns im Schnitt grösstmögliche Freiheiten gibt. Wir wollen nicht linear erzählen, sondern frei kombinieren können. Wir wollen eine Art organisiertes Chaos, das zum einen einer persönlichen Erinnerung entspricht, aber zum anderen den Spannungsbogen halten kann.

Da wir textlich auf einer Meta-Ebene bleiben, können wir spannend kombinieren. Zum Beispiel kann so die Aussage «It is following a different pace» mit ganz unterschiedlichen Bildern kombiniert werden. Ein schnell fahrender Land Cruiser oder, wie in unserem Fall, ein Chamäleon, das sich ganz langsam bewegt.

Editing

Insgesamt produzieren wir über 13 Stunden Material, das irgendwie auf unter fünf Minuten komprimiert werden muss. Der Editing-Prozess dauert knapp drei Wochen. Als Grundlage erstellen wir erst die sprachliche Storyline, die wir dann Schritt für Schritt und Schnitt für Schnitt mit Bildern ergänzen. Den Film schneiden wir mit Adobe Premiere Pro.

Grading

Nach dem Schnitt erfolgt die Farbkorrektur, das Grading. Dazu nutzen wir DaVinci Resolve und kalibrierte Monitore. Dabei wird jede Einstellung und jeder Take einzeln bearbeitet und verfeinert. Ziel ist es, einen einheitlichen, echt wirkenden Look zu schaffen, obwohl wir mit ganz unterschiedlichen Kameras gefilmt haben. Das ist ein sehr wichtiger und aufwendiger Schritt – gerade bei der Bearbeitung von stark komprimierten Material wie das der Phantom 4 Pro+.

LOG

Das aufgenommene Material hat sehr fade Farben und kaum Kontrast. Das ist bewusst so eingestellt, damit sämtliche Farb- und Kontrastinformationen erhalten bleiben um im Grading die bestmögliche Ausgangslage zu haben. Wären die Bilder kontrastreich und bunt, wäre ein aneinander Angleichen der einzelnen Kameras nur sehr schwer möglich. Der Umgang mit Material, das mit einem LOG-Profil aufgenommen wurde, setzt das Grading voraus.

Fazit

Das Setup hat sich bewährt. Würden wir diese Produktion nochmals machen, würden wir im Moment das gleiche Setup nochmals wählen. Die Bildqualität der GH5 und der Phantom 4 Pro sind für die Grösse mehr als beeindruckend. Es ist aber wichtig, sich im Vorfeld ausgiebig mit allem zu befassen und alles doppelt und dreifach zu prüfen. Wir – und Rainer von «Meine Namibia Safaris» – sind sehr zufrieden mit dem Resultat, und Rainer konnte den Film bereits sehr erfolgreich an wichtigen Reisemessen einsetzen.

Abgesehen vom Film, war die Reise auch für uns ein einmaliges Erlebnis – eines, das wir wärmstens weiterempfehlen können.

Meine Namibia Safari

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